Gelenkverschleiß
Fachvortrag
referiert von
von Dr. Dieter Gärtner
Orthopäde
BAD WINDSHEIM – Sarkasmus pur: Die jüngsten in der Familie „halten mich auf Trab. Ich bin froh, dass ich jetzt meine Gelenke in Ordnung habe.“ Das sagte Dr. Dieter Gärtner bei „Bildung für Alle“ der Vortragsreihe des Seniorenrats Bad Windsheim.Zahlreiche Zuhörerinnen und Zuhörer lauschten den Worten des Orthopäden im Saal des St.-Bonifatiushauses.
Das Thema: „Gelenkverschleiß“, auch Arthrose genannt. Auch wenn Dr. Gärtner nach eigenem Bekunden zwei künstliche Knie- und ein Schultergelenk im Körper hat, machte er deutlich: Die Operation sei die letzte Lösung, nachdem alle anderen Therapien nicht den erhofften Erfolg gebracht haben. Das sah der als Gast eingeladene Dr. Mathias Bender, Chefarzt der Bad Windsheimer Kreisklinik, genau so: Er, der für die Einsetzung von künstlichen Gelenken inzwischen einen Roboter und Navigation als Helfershelfer am Operationstisch nutzt, bestätigte: „Wir sind dran, wenn nichts anderes mehr geht.“
In Deutschland leiden rund sieben Millionen Menschen an Gelenkverschleiß, berichtete Dr. Gärtner: „Bei 80 Prozent der über 70-Jährigen gibt es Anzeichen von Arthrose.“ Zwischen den 206 Knochen habe der Mensch 212 Gelenke. Der Knorpel, der für den reibungslosen Bewegungsablauf sorgt, sei rund fünf Millimeter dick: „Er ist wie ein Wasserkissen, aber sehr druckresistent.“ Die Knorpelzellen machten fünf Prozent aus, das Wasser 70 Prozent und der Rest seien Proteine. Das Problem: Im Alter verliert der menschliche Körper an Flüssigkeit, und wenn sich deshalb der Knorpel abbaut, in dem sich Nervenbahnen befinden, dann kommen die Schmerzen. „Jahrelang stecken die Leute die Schmerzen weg, aber dabei nimmt ihre Lebensqualität ab.“
Wie leistungsfähig das menschliche Gelenksystem ist, machte Gärtner an Zahlen fest: Ein Mensch läuft im Schnitt einen halben Kilometer pro Tag. Das summiert sich in einem 80-jährigen Leben auf 200 Millionen Schritte und 160 000 Kilometer auf. Ein gesunder Knorpel hält einen Druck von 400 Kilogramm pro Quadratzentimeter aus.
Neben dem Alters-Verschleiß (Wasserverlust, weniger Gelenkschmiere, schwächere Muskulatur) nennt der Mediziner noch andere Ursachen für Arthrose. Da ist die Achsfehlstellung (bei X- und O-Beinen ist der Druck auf der Innen- oder Außenseite des Knorpels erhöht), Übergewicht (es entstehen Entzündungs-Botenstoffe in der Unterhaut-Fettschicht, die den Knorpel angreifen können), systemische Entzündung durch Fettzellen, plötzliche Gewalteinwirkung beispielsweise durch Unfall (feine Risse in der Knorpelschicht können die Folge sein), eine Stoffwechselstörung wie Diabetes und Gicht oder auch durch Vererbung.
Die Folge: Wenn der Knorpel schwindet, reibt Knochen auf Knochen. Was kann man tun, um sich die Mobilität zu erhalten? Auch hier hatte der Orthopäde einige Vorschläge: eine Reduzierung des Körpergewichts entlastet die Gelenke, gezielter Muskelaufbau durch Sport (keine abrupten Bewegungen) und physikalische Therapie hat stabilisierende Wirkung. Man kann Medikamente einsetzen und sich mit Bandagen, Orthesen oder einem Gehstock behelfen. Akupunktur oder eine Strahlentherapie (Röntgen-Reizbestrahlung) können mildernd wirken. Auch eine Anpassung der Ernährung (zum Beispiel weniger Fett, mehr Meeresfisch) kann laut Gärtner dazu beitragen, die Arthrose erträglicher zu machen. Verschiedene Pflanzen haben Einfluss auf Gelenkverschleiß (Koriander, Kreuzkümmel, Muskatnuss, Curry, Ingwer, Rosmarin, Eukalyptus, Hagebutte usw.). Und: „Zehn Gramm Gelatine pro Tag kommen auch bei den Gelenken an. Das wären fünf Gummibärchen.“ Allerdings, so merkt er lächelnd an, sollten es dann schon fettfreie Gummibärchen sein…
Technisch wurde es bei der Beschreibung der operativen Therapien. Gärtner stellte hier Eingriffe vor, mit denen das geschwächte Gelenk erhalten werden soll (z.B. Glättung des Meniskus oder Straffung der Bänder), die Korrektur der Bein-Achse oder eben die Endoprothese – der „Einbau“ eines künstlichen Gelenks.
Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Operation? Wenn der Leidensdruck durch die Schmerzen zu hoch wird, sieht der Orthopäde den Zeitpunkt gekommen - ebenso, wenn sich die Beuge-Sehnen am Gelenk zu verkürzen beginnen. „Dann muss schnell gehandelt werden.“ Und hier merkte Chefarzt Dr. Bender an: „Wir sind am Ende der Kette. Dann können wir vielleicht noch helfen.“
Die Hoffnung bleibt – was eine von Gärtner vorgelegte Statistik zeigt: Demnach bezeichnen 95 Prozent Hüft-Operierten das Ergebnis als sehr gut bis gut, 3 Prozent als befriedigend und 1 Prozent als unbefriedigend. Die Werte bei Knie-Operierten: 80 Prozent sehr gut bis gut, 20 Prozent befriedigend und 10 Prozent unbefriedigend.
Am Schluss machte Dr. Dieter Gärtner noch ein bisschen Eigenwerbung. Er hat nämlich noch eine weitere Leidenschaft: Er ist Romanautor. Sein letztes Werk „Superärzte“ befasst sich mit Medizinern an deutschen Kliniken im Lauf der Jahrzehnte - ihren Ehrgeiz, ihre Ethik, ihre Hierarchien, ihre Verfehlungen und Verbrechen. Historisches hat der ebenso verarbeitet wie eigenes Erleben.
Gärtner: „Das Buch zeigt, wie Ärzte so ticken.“
Frank Lauer